Logo
Print this page

ICF Club WM 2017 in Venedig Featured

Eine Katastrophe mit Happy End

Vom 3. – 8. September 2017 wurden die Club-Weltmeisterschaften des Internationalen Kanuverbandes in Venedig ausgetragen. Mit viel Vorfreude machte sich das kleine Neckardrachen-Team wieder einmal auf den Weg nach Italien. Diese Meisterschaft stand eigentlich für 2017 nicht in unserem Eventkalender,  da wir normalerweise als DDV Team uns hierfür nicht qualifiziert hatten. Da aber unser Verein SV Union 08 Böckingen e.V. Mitglied im Deutschen Kanu Verband ist, war es uns möglich hierfür zu melden, auch ohne sportliche Qualifikation, die aber auch keins der anderen Teams absolvieren musste. Aus diesem Grund machte sich eine kleine Delegation aus den reiselustigsten Neckardrachen auf nach Venedig. Der Zeitpunkt passte so gar nicht in unsere Vorbereitung zur Deutschen Meisterschaft eine Woche später in Brandenburg, aber was soll`s, dies sollte noch unser kleinstes Problem werden…. 

Wie bereits geschrieben, die Vorfreude war groß, unser Campingplatz sehr gut gewählt, da sehr gut, günstig und kurz mit dem öffentlichen Bus zur Regattastrecke gelegen.

Am Montag hatten wir uns alle gemeinsam zum Training in Tronchetto, dem Austragungsort der 200m- und 500m-Wettbewerbe getroffen. Beim TC-Meeting wurde lange und sehr ausschweifend darüber gesprochen, wie stolz die Venezianer darüber sind, dass zum ersten Mal eine Wassersport- Weltmeisterschaft in der Lagunenstadt stattfindet.  Später wussten wir auch, warum es das erste Mal war. Schon beim Training in den von uns bestens bekannten Champion-Booten merkten wir, da stimmt etwas nicht. Die Wassertiefe variierte je nach Gezeiten zwischen 30cm und 70cm. Und die Bahnen waren dazu noch unterschiedlich tief und zusätzlich noch mit Sandbänken versehen. Die Regattastrecke schien auf den ersten Blick einem Slalomkurs zu ähneln, die Bahnbreite war ebenfalls variabel zwischen 3m und max. 5m. Wir konnten uns nur wundern. Hat denn kein ICF Offizieller je die Strecke im Vorfeld begutachtet?  Wassertiefe und Bahnbreite sind für sportlich faire Wettkämpfe die wichtigsten Faktoren. Falls die Strecke vom ICF freigegeben wurde,  müssen sich da ein paar Offizielle mal ernsthaft Gedanken machen.

Nun dachten wir, is´ so,  jetzt heißt es, Augen zu und durch! Doch es kam noch schlimmer. Der Teambereich zum Aufenthalt der Teams zwischen den Rennen wurde vom Veranstalter in eine neu gebaute Halle gelegt, die wohl vergessen wurde, zu reinigen. Zementstaub überall, eine Akustik vom Feinsten, Lärm den ganzen Tag. Für alle Teilnehmer gab es ca. 10 Dixi Toiletten, die bereits morgens um 8 Uhr schon nicht mehr sehr einladend aussahen und zusätzlich noch in der prallen Sonne positioniert wurden. Wasser zum Reinigen der Hände oder zum Abspülen nach dem Paddeln auf Salzwasser - Fehlanzeige. Ab Mittwoch wurde dann wenigstens ein Tankwagen mit Wasser aufgestellt, um hygienische Mindeststandards zu erreichen. Verpflegung fast Fehlanzeige, ein kleiner Verkaufswagen, eigentlich eine rollende Espresso Bar für alle. Das Essen, welches vom Veranstalter im Vorfeld angeboten wurde, war absolut überteuert und qualitativ naja, aber eben das Einzige, was es gab. Vom Marshalling bis zu den Booten waren es ca. 500m. Im direkten Einstiegsbereich gab es keine Toiletten, obwohl die Teams lange Wartezeiten zwischen Marshalling und Einstieg hatten. Kein Wunder roch es bereits am ersten Tag in der Wartezone nach ………..

Am Dienstag dann die ersten Rennen über die 500m Strecke. Pünktlich angereist und voller Motivation bereiteten wir uns auf die ersten Rennen vor. Dann die ersten Probleme beim Veranstalter. Die Rennen mussten auf Grund der doch so plötzlich eingetretenen Ebbe um 30 Minuten verzögert werden. Aus den 30 Minuten wurde dann schnell zwei Stunden Verspätung.

Dann unser erstes Rennen im Ü40 Mixed, unser stärkstes Boot. Fahrzeit um die 2:20 Minuten auf 500m und ca. 20 Sekunden zurück. Was war passiert? Wir waren ratlos. Nachdem wir einige Rennen beobachtet hatten, änderten wir unsere Taktik. Start, Nachstart und Zwischenspurt vor der ersten Sandbank und dann soweit wir kommen mit Flucht nach vorne. Alles ganz anders als geplant und geübt. Wir konnten uns mit allen Booten in die Finals paddeln, für diese Verhältnisse schon ein echter Erfolg. Nun begann die Lotterie. Umso höher die Bahnen, umso besser die Chancen. Uns wurde klar, was wohl 10cm mehr Wassertiefe ausmachen. Wobei sich auch dieser Fakt während unterschiedlichen Gezeiten zu verändern vermochte. Im Männerrennen wurden wir von unserer eigenen Monsterheckwelle abgefüllt. Durch die Verspätung kam am späten Nachmittag die Ebbe zurück und die Rennen mussten teilweise annulliert bzw. dann sogar abgebrochen werden, weil sich ein Boot auf der Bahn eins, wohlgemerkt während des Rennens, auf einer Sandbank festgefahren hatte und auf Grund gelaufen ist. Was ein Fiasko. Was nun tun? In einem kurzfristig einberufenen TC Meeting versuchten die ICF Offiziellen Erklärungen zu finden und den Zeitplan so zu modifizieren,  dass die Rennen noch durchgeführt werden können. Ein überarbeiteter Zeitplan für den nächsten Wettkampftag wurde den Teams dann in der Nacht per e-mail zugesandt. Dieser Rennplan beinhaltete dann nur noch Vorläufe und Finals. Uns war klar, die Qualifikation für die Endläufe war danach das erste Ziel.

Sportlich konnten unsere Damenboote über die 500m Strecke unsere Ehre retten, Weltmeisterinnen im Standardboot und weitere Medaillen in den Kleinbooten, Respekt Mädels. Die Ü40 Boote hatten Pech und mit Bahn 2 die höchste Bahn in den Finals, hier musste schon der Vierte Platz und die Endlaufteilnahme als Erfolg zählen. Über 200m behielten wir die erfolgversprechende Taktik mit Start, Nachstart und Endspurt bei. Die Bahnvorteile waren auf der 200m Strecke nicht so gravierend wie über 500m. Jetzt konnten auch die Ü40 Boote endlich in die Medaillenränge kommen und die Mädels beim Medaillensammeln unterstützen. „Bling Bling“ alle Neckardrachen waren nach Tag zwei mit Edelmetall versorgt. Läuft. Hervorzuheben ist vor allem unser Teamgeist, trotz der desaströsen Umstände an Land und auf dem Wasser war die Stimmung bei den Neckardrachen sehr gut, es hat uns sogar noch eher zusammengeschweißt und uns beflügelt.

Nun hieß es Umzug zu einer anderen Regattastrecke in das Gebiet Arsenale für die Langstreckenrennen. Nix wie weg von Tronchetto, alles was da kommen wird, ist besser als diese Regattastrecke oder besser gesagt,  als dieser Watt-Wanderweg.  Am Freitag um 9 Uhr stand der erste Start über die 2000m auf dem Programm. Pünktlich um kurz vor 6:00 Uhr hieß es aufstehen, da wir mit dem vom Veranstalter organisierten Schiff-Shuttle nach Arsenale fahren mussten. Um 7:15 kam dann ein Shuttle-Schiff, wir waren uns nicht sicher, ob es das Schiff um 7:00 Uhr oder das Schiff um 7:30 Uhr ist, egal schnell drauf und ab. Sightseeing Tour auf dem Weg zur Langstreckenregatta. Als wir dann in Arsenale ankamen, war es wie bei den Plünderern, jedes Team hamsterte so viele Sitzgelegenheiten und Absperrgitter wie es tragen konnte, um sich seinen eigenen Teambereich in einer Lagerhalle zu kreieren. Wir hatten Glück, dass wir so früh dran waren. Iris und ihrem Schweizer Juniorenteam konnten wir dann in der Neckardrachen „Lounge“ mit beherbergen.

Arsenale ist ein wirklich sehr schöner Ort zum Paddeln, jedoch ein Militärgelände und somit für Zuschauer unerreichbar. Die Rennen sollten wie bereits in Tronchetto ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Apropos Rennen, welche Rennen? In welchen Booten? Zum ersten Start um 9 Uhr waren weder Boote noch Anlegestege oder sonstiges Equipment in Arsenale. (Gerüchteweise hatte wohl zu allem Überfluss der Regenguss des letzten Abends das ein oder andere Boot versenkt…). Die ICF Offiziellen waren selbst sprachlos. Ab 10 Uhr kam dann Bewegung in die Sache, es wurden Boote und Pontons in den Hafen geschleppt. Um 11:30 Uhr wurde dann ein TC Meeting einberufen. Die ICF Offiziellen stellten den TC`s die Frage, ob es weitergehen sollte oder ob die Veranstaltung abgebrochen werden soll. Die Mehrheit der TC`s sprach sich für die Fortführung der Regatta aus. Es gab Tränen der Enttäuschung und Wut bei den Teilnehmern und Offiziellen. Dies alles wäre selbst für eine Funregatta unwürdig. Dank dem Engagement der ICF Offiziellen, allen voran Uli Schreck und ihr Team, wurden alle 2000m Rennen bis zum Einbruch der Dunkelheit durchgezogen. Die Rennen wurden allerdings nicht mehr gemarshallt, sondern nur noch eingebootet. Wir sind bei der WM.  

Bei den Langstreckenrennen konnten wir endlich zeigen, zu was wir annährend im Stande sind. Vielleicht war es auch die Wut die uns vorantrieb. Trotz wirklich nicht sehr viel Glück bei der Bahnverlosung ist es uns gelungen, noch drei Weltmeistertitel und etliche Medaillen über die Langstrecke zu erkämpfen.

Eine zeitliche Überraschung gab es dann doch. Das 10er Rennen der Premier-Damen startete überraschend 2 Stunden vor der offiziellen Startzeit… Bei knapp 3 Stunden Verspätung im Plan… 

Auch die Ü-40 Damen können noch eine Anekdote beisteuern. Sie hatten einen ungewöhnlichen Mitstreiter auf ihrem Regatta-Kurs.  Die Guardia Costiera  kreuzte während des Rennens mit einem nicht ganz kleinen Schiff die Strecke und verweilte dann glücklicherweise im Inneren  der Langstreckenrunde, bis die Damen wieder vorbeigepaddelt waren…

It’s Venice…

Am Ende hieß die sportliche Bilanz 4x Weltmeister, 5 Vize-Weltmeistertitel und noch 1x Bronze

Wir waren sehr zufrieden, die Langstrecke hat einiges gerade gerückt.

Der Transport von Arsenale zurück war dann wieder Italian-Style, zwei Stunden anstehen und keine Fähre kommt. Die Orga war wirklich unterirdisch. Unsere Abschiedsfeier konnte nicht mehr stattfinden, da sich wirklich jeder auf eigene Faust durch die Venezianische Nacht kämpfte, auf der Suche nach etwas Essbarem und irgendwie auf dem Weg zurück zum Campingplatz, nach einem langen und anstrengenden Wettkampftag.

It’s Venice… hörten wir so oft und war letztlich Ausdruck für das ganze Chaos.

Wir sind schon ein tolles Team. Trotz all dieser Umstände waren wir wieder das erfolgreichste Deutsche Team, andere Teams hatten mit den Umständen mehr zu kämpfen und traten deutlich unzufriedener die Heimreise an. Wir sind uns allerdings nicht sicher, ob dieser erste Neckardrachenausflug zu einer ICF Veranstaltung nicht auch der Letzte war. So geht das nicht, die Sportler investieren viel Zeit in Training, Wettkampf und auch noch viel Geld in die Reisen usw. Das Mindeste sind faire Bedingungen im sportlichen Bereich und ein Mindestmaß an Infrastruktur und Hygiene. ICF - bitte mal ganz dringend darüber nachdenken.

 

Last modified onMonday, 02 October 2017 17:34
  • Rate this item
    (0 votes)
  • Published in News
  • Read 4630 times

Leave a comment

Template Design © Joomla Templates | GavickPro. All rights reserved.